Flavia kann nicht schlafen, es ist nicht das erste Mal. Hätte sie doch einfach am Abend nicht noch einen Kaffee getrunken, seufzt sie leise im Bett vor sich hin. Doch der Abend war halt eben stark und heiter, ihre Freunde zum Essen, fein getrunken, nicht zuviel, dass kann ihr niemand vorhalten. Aber das mit dem Kaffee vor dem Schlafen, sie lernt es wohl nie, seufzt sie noch einmal.
Frühmorgens, Flavia quält sich aus dem Bett, schlurft in die Küche und brüht sich einen starken Schwarzen, was sonst? Wenn sie schon wegen des Kaffees nicht schlafen konnte, dann soll das heissgeliebte Getränk sie als natürlicher Wachmacher zumindest wieder wecken, schliesslich muss sie heute noch zwei Artikel abgeben, sonst wird der Chef ihr weitere schlaflose Nächte bescheren. Sie liebt ihren Job als Journalistin, wenn nur die Abgabetermine nicht wären; also setzt sie sich an den Schreibtisch, aber zu schreiben beginnt sie nicht. Sie taucht ab ins Internet, googelt die Stichworte «Kaffee» und «Schlafen»; die Liste scheint endlos. Kaffee sei stimulierend, aber erst rund 20 Minuten nachdem dieser getrunken wurde, wer vorher einschlafe, der wird keine Schlafstörungen haben. So ein Schwachsinn, wer hüpft denn schon von der Tasse direkt in die Pfanne, lacht Flavia laut heraus. Andere Quellen empfehlen, die letzte Tasse vor 16h am Nachmittag zu nehmen. Na da stehe ich manchmal ja erst auf, schmunzelt sie belustigt. Einige spüren die stimulierende Wirkung des Koffeins, andere nicht … und noch vieles mehr liest sie im Netz. Das kann es nicht sein, ist ihr Gedanke, wendet sich ihrer Arbeit zu und fertigt die zwei Berichte. Nach dem Mittagessen fährt Flavia mit dem Bus in die Stadt und gibt die Texte ab. Der Chef meint lautstark, sie seien lausig geschrieben, Flavia meint darauf, er habe keine Ahnung und schlug die Türe hinter sich zu. Genervt lässt sie sich treiben in der Menschenmenge der Grossstadt und landet in einer Kaffeebar. Sie bestellt einen doppelten Espresso, leert mit einem Zug die Tasse. Na jetzt könnte ich ganz sicher nicht schlafen, so mies fühle ich mich, grinst sie vor sich hin,
Da fällt es ihr wie Schuppen von den Augen; zum Henker, klar könnte ich jetzt nicht schlafen, aber nicht wegen des Kaffees, die miese Stimmung kommt vom Treffen mit dem Chef. Und sie denkt weiter nach und kommt zum Schluss, dass die Diskussionen am letzten Abend gar nicht so viel anders waren; zwar positiv intensiv und konfrontativ, mit vielen starken Sprüchen zum Lachen, aber eben, es waren nervenaufreibende Gespräche.
Flavia beschliesst, gleich am nächsten Wochenende nochmals eine Einladung zu starten, sie will ein Experiment starten. Sie lädt die gleichen Freunde wieder ein, es wird gegessen und getrunken, wieder geht es laut zu und her.
Zum Kaffee aber, gibt Flavia eine Regel bekannt: Es spricht nur eine Person. Und plötzlich ist der Abend anders: Es wird geredet, es wird zugehört, es wird nachgedacht; im Nu entsteht eine entspannte Atmosphäre, als wären es andere Gäste. Ein starkes Gespräch mit Tiefgang, immer mal wieder ein Nippen an der Kaffeetasse, gekoppelt an ruhige Momente des Nachdenkens. Als die Gäste gegangen waren, räumt Flavia das Gröbste auf und legt sich wohlig entspannt ins Bett und schläft sofort ein. Sie schläft herrlich.
Eine Geschichte, erfunden vom Autor. Bei so viel gegensätzlichem Wissen auf dem Internet über Kaffee und seine Wirkung auf den Schlaf, macht die Suche nach Wahrheit müde und es empfiehlt sich, eigene Antworten zu finden, denn der Kaffee allein kann es nicht sein, der Ihnen den Schlaf raubt. Brechen Sie zu neuen Horizonten auf, wie es Flavia gemacht hat, und Sie werden Ihre Antwort finden, ob Sie sich Abend noch eine Tasse gönnen wollen.